Überwinterungskonzept Landeck

Der Lebensraum wird immer enger. Der Wald bietet nicht nur Rückzugsorte für Wildtiere, sondern hat auch für die Bevölkerung unersetzliche Funktionen. Im Bezirk Landeck startet nun ein Pilotprojekt für Wild und Wald. Ziel ist es die Überwinterungsmöglichkeiten des Rotwildes und gleichzeitig einen gesunden Wald zu erhalten und sicherzustellen.

In Landeck startete im Sommer 2020 ein Pilot-Projekt zu Überwinterungsstrategien des Wildes in Tirol. Der Fokus liegt dabei auf dem Rotwild. Dazu werden 114 Fütterungsstandorte sowie die Winterlebensräume im Bezirk Landeck von einem externen wildökologischen Büro aufgenommen und mit Betrachtung der Waldsituation evaluiert. Dies soll für ein klares Konzept für die nächsten Jahre sorgen und Diskussionen zwischen Jagd und Forst entschärfen. Das Projekt wurde von der Bezirkshauptmannschaft ins Leben gerufen und mit allen betroffenen Interessensgruppen vorbereitet.

Bezirkshauptmann Dr. Markus Maaß ist über das gemeinsame Projekt von Grundeigentümern, Jägerschaft, Forst, Behörde, Tiroler Jägerverband, Landwirtschaftskammer und Terra Raetica, sehr erfreut. „Wir brauchen eine aktualisierte wildökologische Grundlage für die Behandlung der Wildlebensräume im Winter. Erfolgreich kann so ein Projekt allerdings nur sein, wenn alle Interessensgruppen eingebunden werden, so wie es uns in Landeck gelungen ist“, so Maaß.

 

Projektziel

Artur Birlmair, Landesjägermeister-Stellvertreter von Tirol, sieht als Hintergrund vor allem die extremen Wetterlagen, wie den Winter 2018/19, welche Wild und Jägerschaft vor eine Herausforderung stellten. „Ziel des Projektes ist es, die Perspektive des Wildes in den Vordergrund zu stellen – welche Ansprüche hat es im Winter, welche Ruhegebiete und Fütterungen sind schon entsprechend positioniert oder müssen verbessert oder verändert werden, um bestmögliche Voraussetzungen für einen gesunden Wild- und Waldbestand zu erreichen. In Tirol haben wir Jäger eine gesetzliche Fütterungsverpflichtung, bei der wir mit Unterstützung der Wildökologen die besten Bedingungen für Wild und Wald schaffen wollen.“ Birlmair weiter: „Durch eine optimale Fütterung können auch Wildschäden verhindert werden, denn im Bergwald findet Rotwild als natürliche Äsung hauptsächlich Rinde und Nadeln. Ein ungestillter Hunger des Wildes kann allerdings schnell zu forstlichen Schäden führen.“

 

Fach- und Länderübergreifende Zusammenarbeit

Die Bezirkslandwirtschaftskammer ist Träger des Terra Raetica Projektes. Peter Frank, Leiter der Landecker Bezirksstelle, sieht das Pilot-Projekt im Dreiländereck als Chance, um die Spannungsfelder zwischen Jagd, Forst und Grundeigentümer in punkto Wildschäden aufzulösen. Die Evaluierung der Lebensräume erfolgt durch ein externes Fachbüro und berücksichtigt die Raumnutzung des Rotwildes, sowie dessen Ansprüche im Winter, die Lebensraumeignung, Lage und Zustand des Fütterungsstandortes sowie Wechselwirkungen mit den Nachbarländern und die Freizeitnutzung im Gebiet. Das Regionalmanagement Landeck übernimmt die Abwicklung dieses Kleinprojekts im Interreg Italien-Österreich Programm, welches mit 70 % gefördert wird. Ein wichtiger Baustein im Projekt ist der grenzüberschreitende Daten- und Erfahrungsaustausch mit dem Vinschgau und dem Unterengadin.

Bezirksforstinspektor Michael Knabl kennt die emotionsgeladenen Diskussionen rund um das Thema Rotwildfütterung und Wildschäden. „Wir wollen mit diesem Projekt den kleinsten gemeinsamen Nenner auf fachlicher und sachlicher Ebene finden. Dieser ist das Rotwild. Mit Hilfe der Ergebnisse kann die Fütterung für Wild und Wald optimiert werden. Die Zusammenarbeit zur Projekterstellung hat bereits blendend funktioniert. Das Interesse am Projekt geht auch über den Bezirk hinaus, es könnte ein Vorzeigeprojekt für das ganze Land sein.“, meint Knabl. Zudem bedankt sich Knabl bei der Landesforstdirektion Tirol, namentlich bei Landesforstdirektor DI Fuchs für die unkomplizierte Übernahme der Vorfinanzierung und der 20% Eigenleistung (insgesamt 30% Eigenleistung, 10% übernimmt der Tiroler Jägerverband) in diesem Projekt.

 

Projektstart

Die Aufnahmen fanden in den ersten zwei Juli-Wochen im Jahr 2020 statt. Bezirkshauptmann Maaß erhofft sich eine Fortsetzung der guten Zusammenarbeit zwischen den Interessengruppen: „Wir sind guter Dinge mit dieser erstmaligen Zusammenschließung aller Interessensgruppen für Wald und Wild das Beste zu erreichen.“ Mit ersten Ergebnissen ist im Winter 2020/21 zu rechnen.

 

Projektabschluss

Der Winterlebensraum für Rotwild hat in den letzten Jahrzehnten durch Siedlungstätigkeit und Freizeitindustrie stark abgenommen. Ruhige und für das Rotwild gut geeignete Überwinterungsgebiete sind rar geworden. Wechselmöglichkeiten zwischen verschiedenen Lebensraumabschnitten sind heutzutage durch Verkehrsinfrastruktur erheblich eingeschränkt.

Für den rund 3.500 Stück hohen Rotwildbestand im Bezirk Landeck stehen lediglich 17.000 Hektar gut geeigneter Winterlebensraum zur Verfügung. Das sind nur elf Prozent der gesamten Bezirksfläche. Die übrigen Bereiche sind entweder besiedelt, von Tourismus oder Freizeitwirtschaft stark beeinflusst oder aufgrund der Vegetations-, Gelände- und Schneeverhältnisse nicht gut für die Überwinterung des Rotwildes geeignet. Der Großteil des Landecker Rotwildes wird im Winter an Wildfütterungen mit Zusatzfutter versorgt.

Als oberstes Ziel wurde von allen Projektpartnern die Wahrung des Tierwohles ausgegeben, was nur durch die Schaffung an den Lebensraum angepasste Wildstände, die nötigen wildökologischen Rahmenbedingungen sowie durch die Einhaltung der Fütterungshygiene bzw. geeigneter Fütterungstechniken erreicht werden kann.

Zur Verbesserung der Situation wurde nun auf Basis der Projektergebnisse von den Projektbetreibern ein mehrjähriger Plan ausgearbeitet, der in den nächsten Jahren zur Umsetzung gelangen soll. Die Verbesserungsmaßnahmen, getragen von Jägern, Forst, Behörde und Grundeigentümer, stellen neben der Verbesserung der Fütterungstechnik und Fütterungshygiene auch die Herstellung Lebensraum angepasster Wildstände dar, was durch die Ausarbeitung spezifischer Abschussrichtlinien erreicht werden soll. Daneben sollen auch alle Naturnutzer mit dem Ziel sensibilisiert werden, dem Rotwild während der Überwinterungsphase die nötige Ruhe zu gewähren. Regelmäßige Evaluierungen der Maßnahmen durch die Projektgruppe bilden dazu ein entsprechendes Kontrollinstrument.